Beep Beep Beep Beep Beep…
Punkt drei Uhr nachts schellt der Smartphonewecker unerbittlich auf uns ein. Was? Wie? Wer? Ah – heute geht es zu den Alabama Hills und den Minaret Lake. Na dann schauen wir mal – sofern dies geht…
Christian reibt sich die Augen, verwundert ist er nicht – hat er doch die Weckzeit selber eingestellt. Das waren jetzt gerade mal knapp zwei Stunden Schlaf, wenn überhaupt. Und das nach der gestrigen Hatz! Laut „Sun Surveyor“-App soll der kräftig reflektierende Erdtrabant in Bälde nicht mehr zu sehen sein. Also eine Gelegenheit, den „Mobius Arch“ eventuell mit Milchstraße abzulichten.
Bettschwere.
Aber noch so ein kleines bisschen Liegenbleiben; das wär‘ doch was! Christians Akku ist allenfalls „angeladen“, Lisa hat komplett auf „Sleep“ geschaltet und erhält nur noch die lebenswichtigen Körperfunktionen. Oder salopp gesagt: Sie ist völlig fertig vom anstrengenden Vortag und möchte von Vaters Hardcore-Foto-Nummer momentan eher nichts wissen.
Bloß keine Zeit verlieren!
Während Christian noch überlegt, ob er sich lieber „noch ein paar Minütchen“ im kuscheligen Sitz des Grand Cherokee vergräbt, vernimmt er kurz darauf draußen einige Geräusche, die ihn sofort aus der Sitzmulde hochreißen. Er steigt aus, drückt Lisa hektisch noch das Funkgerät in die schlaffe Hand, schnappt seinen Fotorucksack und eine Flasche Wasser und presst ganz sanft und behutsam die Wagentür fast lautlos von außen zu.
Aus einem etwas abseits stehenden Van ist ein Herr im besten Alter ausgestiegen. Die Silhouette, die man im letzten fahlen Licht des untergehenden Mondes erkennen kann, lässt vermuten, dass auch er sein Kameraequipment inklusive Stativ auf den Rücken geschnallt hat und nun den Weg in Richtung des imposanten Felsbogens einschlagen möchte.
Bekanntschaft bei Nacht.
Christian macht sich erst einmal mit ihm bekannt – so tut man das hier draußen. Es ist Dave aus Las Vegas/NV und ja, er möchte auch zum „Mobius Arch“. Man zieht also zusammen los, das verhindert zumindest, dass sich einer alleine auf dem kleinen Areal vor dem Arch übermäßig breit macht, denn da ist wirklich nicht viel Platz. „Die Jungs“ kommen ins Gespräch, fachsimpeln und versuchen, jeder auf seine Art, ein paar schöne Pics zu machen. Aus dem anfänglich etwas reservierten Zusammentreffen zweier Fremder entwickelt sich schnell ein freundschaftliches Verhältnis. Das besteht auch noch, als sich langsam der Himmel erhellt; Dave teilt sogar noch seinen Proviant mit Christian, als er merkt, dass dieser in der Eile nichts Essbares eingesteckt hat – das zeigt Größe…
Weitere Interessenten…
Kurz nach Sonnenaufgang gesellen sich noch ein paar weitere Leute internationaler Herkunft hinzu und machen ihre Aufnahmen; sogar Lisa findet sich noch ein. Wir alle haben eine schöne Zeit hier, doch leider währt diese nicht lange. Zu unterschiedlich sind die Vorhaben der einzelnen Besucher für den noch jungen Tag.
Wir schauen uns noch hier und da in den Alabama Hills um, erkunden den einen oder anderen Trail und entscheiden uns bei schon recht hohem Sonnenstand für einen „Abzug“; es ist wirklich magisch hier, aber wir haben noch so viel vor…
Breakfast in Lone Pine/CA.
Breakfast gibt‘s in John Waynes Lieblingslokal (zumindest nach Angaben der Betreiber), dem „Mt. Whitney Restaurant“, und wir lassen es uns so richtig munden. Christian erzählt beiläufig die Story, dass er schon vor achtzehn Jahren mit Doreen hier eingekehrte. Good old memories…
In die Sierra Nevada.
Anschließend zurück nach Bishop/CA, ein paar Einkäufe tätigen, den Jeep volltanken und weiter hoch nach Mammoth Lake/CA, einem hübschen Urlauberstädtchen in den Bergen der Sierra Nevada. Irgendwie ist hier einiges einem Alpenort nachempfunden und könnte rein optisch auch in Österreich oder der Schweiz liegen. Ja, sogar die Namen der Hotels, Kneipen und Restaurants tragen zum Teil verdächtig deutsch klingende Namen! Aha, so macht ihr das hier also…
Der Teufel ist los in Mammoth Lakes.
Und es ist der Teufel los; wie soll es anders sein, auch hier sind an diesem Wochenende Scharen von Erholungswilligen eingetroffen, und entsprechend angespannt ist auch die Parkplatzsituation in und außerhalb der Stadt. Es gibt zwar zahlreiche große „Parking Areas“, ob aber man auch „Overnight“ seinen Wagen hier abstellen kann und dieser sicher ist, bleibt zunächst im Dunkeln. Auf einigen Tafeln am Rande der Stellplätze werden aber alle Unklarheiten ausgeräumt, und wir lassen unser Töff Töff für eine Nacht alleine zurück.
Shuttle zum Devils Postpile.
Mit Rucksäcken, Zelt, Schlafsäcken und Proviant bepackt stiefeln wir bis zur „Mammoth Lodge“. Auf einen Touristenansturm ist man hier eingestellt, denn hier finden in den Wintermonaten auch große Skievents statt. Rund um die Lodge kann man noch all das besorgen, was man für einen gelungenen Trip benötigt. Auch muss man an dieser Stelle die Fahrkarten für den Shuttlebus lösen, der uns zum nahegelegenen „Devils Postpile National Monument“ bringen wird. Eine private Anreise mit dem PKW ist aufgrund der Menschenmassen zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.
An den Bushaltestellen drängen sich viele Urlauber und warten auf ihre Abfahrt zu verschiedensten Zielen, doch es geht der Reihe nach und angenehm gesittet zu. Bald dürfen auch wir zusteigen und fahren mit dem Shuttle hinunter ins Tal zum Devils Postpile Visitor Center. Unterwegs wird uns klar, warum hier dem Gros der Autofahrer kein Einlass gewährt wird; steile Streckenabschnitte, enge Kurven, spitze Kehren und eine stellenweise recht enge Road meistert der Busfahrer bis zum Monument. Über Funk kommuniziert das Fahrpersonal, wer sich gerade wo befindet und an welcher Stelle man den Gegenverkehr passieren kann. Oh ja, diese Taktik scheint hier äußerst angebracht, um alle Personen heil hin und her zu verfrachten…
Kurzes Briefing…
Im Tal steigen wir wohlbehalten aus und setzen uns, nach einem kurzen Briefing durch einen Ranger, mit unserem Gepäck in Bewegung. Die Besonderheiten dieses National Monuments wollen wir aber erst morgen bestaunen.
Ein gutes Stück Pacific Crest Trail.
Heute steuern wir ein hoffentlich menschenleeres Areal an, um auch an einem solchen Weekend die Natur und Einsamkeit in vollen Zügen genießen zu können. Es geht ständig bergauf, mal steil, mal moderat. Wir passieren Waldgebiete, die stark von Windbruch und natürlichem Absterben der Bäume geprägt sind; hier zu wandern ist schon ein wenig unheimlich.
Der Pfad ist mal gut, mal weniger klar ausgeschildert. Ein ganzes Stück geht es entlang des berühmten „Pacific Crest Trails“ (PCT), und dem Wandersmann wird alles geboten: Bachquerungen, Wasserfälle, spitze Berge, kleine Waldseen; und immer begleitet uns der hellgraue Granit, den wir auch aus dem Yosemite National Park kennen. Selbst Kratzspuren, die einst Gletscher im Gestein hinterließen, entdecken wir allenthalben.
Kurze Begegnungen.
Der Baumbestand sieht in den höheren Lagen gesünder aus als am Anfang unseres Hikes. Hier und da haben Wanderer ihre Zelte aufgeschlagen, und wir sagen kurz Hallo, fragen nach dem weiteren Weg und wünschen noch einen schönen Tag. Viel Zeit für Konversationen haben wir nicht; der Weg ist noch weit, und es ist mittlerweile schon Spätnachmittag. Wie lange wir noch zu gehen haben, wissen wir nicht genau, deshalb ist ein flotter Schritt angesagt. Um uns herum erstreckt sich eine herrlich schroffe Bergwelt; es geht weiter und weiter bergauf. Mal ist der Trail gut sichtbar, manchmal müssen wir erahnen, wo er weiter Richtung Gipfel verläuft.
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Wandern im Stirnlampenlicht.
Und es wird dunkler. Hinter jeder Anhöhe könnte unser Ziel liegen. Kaum haben wir diese erklommen, macht sich Ernüchterung breit, denn wir stellen fest, dass wir noch wesentlich weiter wandern müssen. Dazu kommt, dass uns der Ranger vor Bären in diesem Gebiet gewarnt hat. Wir wissen nicht, inwieweit sich diese sonst scheuen Tiere durch das Treiben im benachbarten National Park an die Anwesenheit von menschlichen Wesen gewöhnt haben und ob sie sich zurückziehen, wenn sie unsere Laute vernehmen.
Obwohl der Mond scheinbar alles unternimmt, um uns den Weg auszuleuchten, müssen wir nach und nach unsere Stirnlampen zuschalten, um überhaupt noch den Pfad ausmachen zu können. Unserer Destination kommen wir so nun noch langsamer näher. Während wir uns immer weiter in Richtung der Gipfel bewegen, versuchen wir uns weitestgehend laut zu unterhalten, um Meister Petz wenigstens ein wenig einzuschüchtern. Ob es etwas hilft, wissen wir nicht – es lässt sich keiner der gefährlichen Waldbewohner blicken; ist diese Taktik also doch erfolgreich oder ist einfach nur das Glück auf unserer Seite?
Nächtliches Zeltaufschlagen am Minaret Lake…
Und dann, spät am Abend, erreichen wir doch noch den „Minaret Lake“ – unser hart erwandertes Ziel (hier in der Nähe stürzte einst Steve Fossett mit seinem Flugzeug ab). Zumindest kommt es uns so vor, als haben uns unsere Füße unzählige Meilen tragen müssen. Puh! Das nächste Hindernis stellt die Suche nach einem geeigneten Platz dar, auf dem wir unser Nachtlager aufschlagen können. Nicht nur, dass es hier kaum dafür geeignete Flächen gibt, nein: Ein Großteil des Areals ist noch schneebedeckt! Anfang September! Ok, wir befinden uns hier rund 3000 Meter über dem Meeresspiegel, aber das überrascht uns doch ein wenig.
Irgendwo zwischen unzähligen Felsen und den Resten des letzten Winters finden wir dann doch noch ein paar Quadratmeter, um die Nacht im schnell installierten Tent zu verbringen. Wieder geht ein ereignisreicher Tag zu Ende und der Nächste wartet schon auf uns…
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